Die systematische Erhebung von Bedürfnissen und Anforderungen ist ein wichtiger Prozess, um sicherzustellen, dass ein Projekt, ein Produkt oder eine Dienstleistung den tatsächlichen Bedürfnissen der Stakeholder entspricht und klare, umsetzbare Anforderungen für die Umsetzung definiert werden. Der Prozess lässt sich in vier zentrale Phasen unterteilen: Sammlung, Analyse, Spezifikation und Validierung.
Sammlung von Bedürfnissen und Anforderungen
Das Ziel dieser Phase ist es, alle relevanten Bedürfnisse, Erwartungen und Anforderungen der Stakeholder zu identifizieren. Dies kann sowohl funktionale Anforderungen (was das System tun soll) als auch nicht-funktionale Anforderungen (wie das System performen soll, z.B. in Bezug auf Sicherheit, Zuverlässigkeit) umfassen.
Vorgehensweise:
- Workshops und Interviews mit Stakeholdern: Gespräche mit den Stakeholdern helfen, deren Erwartungen und Anforderungen zu verstehen.
- Fragebögen und Umfragen: Sie ermöglichen die Sammlung von Anforderungen von einer breiteren Gruppe von Beteiligten.
- Beobachtung der aktuellen Prozesse: Durch das Beobachten der Arbeitsweise der Benutzer können unbewusste Anforderungen aufgedeckt werden.
- Dokumentenanalyse: Bestehende Dokumentationen, Richtlinien und Standards bieten wertvolle Informationen über aktuelle Systeme oder Vorgaben.
Die gesammelten Anforderungen sollten als eine erste Liste dokumentiert werden, die einen umfassenden Überblick über alle möglichen Anforderungen und Erwartungen bietet.
Analyse der Anforderungen
Die Anforderungen müssen nun genauer analysiert werden, um Redundanzen zu eliminieren, Konfliktezwischen verschiedenen Anforderungen zu identifizieren und die Prioritäten der Anforderungen festzulegen.
Vorgehensweise:
- Kategorisierung: Anforderungen werden in funktionale und nicht-funktionale Anforderungen unterteilt.
- Konsolidierung: Doppelte oder sich überschneidende Anforderungen werden zusammengefasst und bereinigt.
- Priorisierung: Anforderungen werden nach ihrer Wichtigkeit und ihrem Einfluss auf das Projekt priorisiert. Methoden wie MoSCoW (Must have, Should have, Could have, Won’t have) helfen dabei, Prioritäten zu setzen.
- Konfliktlösung: Wenn verschiedene Stakeholder gegensätzliche Anforderungen haben, wird eine Lösung gesucht, die einen Ausgleich zwischen den Interessen schafft.
Bei Ende der Phase liegt eine bereinigte und priorisierte Liste von Anforderungen, die klare Prioritäten und Abhängigkeiten aufzeigt vor.
Spezifikation der Anforderungen
In dieser Phase werden die Anforderungen detailliert und präzise beschrieben, sodass sie als umsetzbare Grundlage für die Entwicklung oder Umsetzung dienen können.
Vorgehensweise:
- Erstellung von Lasten- und Pflichtenheften: Im Lastenheft werden die Anforderungen aus der Sicht des Auftraggebers beschrieben, während im Pflichtenheft die technischen Spezifikationen und Umsetzungsmöglichkeiten durch den Auftragnehmer festgelegt werden.
- Use Cases / User Stories: Spezifizierung der Anforderungen durch die Beschreibung von Anwendungsszenarien und User Stories, die zeigen, wie das System von Benutzern verwendet werden soll.
- Erstellung von Modellen: Visuelle Modelle wie Flussdiagramme, UML-Diagramme oder Mockupskönnen helfen, die Spezifikationen zu verdeutlichen.
- Eindeutige Formulierung: Die Anforderungen müssen klar, präzise und ohne Mehrdeutigkeiten formuliert werden, um Missverständnisse in der Implementierung zu vermeiden.
Bei Ende der Phase liegt ein vollständiges Anforderungsdokument, das detailliert beschreibt, was das System leisten soll und wie es umgesetzt werden kann vor.
Validierung der Anforderungen
Sicherstellen, dass die definierten Anforderungen die tatsächlichen Bedürfnisse der Stakeholder widerspiegeln, korrekt spezifiziert wurden und umsetzbar sind.
Vorgehensweise:
- Review-Sitzungen mit Stakeholdern: Anforderungen werden den Stakeholdern präsentiert, um zu bestätigen, dass sie korrekt erfasst und spezifiziert wurden.
- Prototypen und Simulationen: In einigen Fällen können Prototypen oder Simulationen verwendet werden, um die Anforderungen in der Praxis zu testen und sicherzustellen, dass sie die richtigen Erwartungen erfüllen.
- Testbarkeit prüfen: Es wird überprüft, ob die Anforderungen messbar und testbar sind, um sicherzustellen, dass sie später im Entwicklungsprozess verifiziert werden können.
- Abnahme der Anforderungen: Stakeholder müssen die Anforderungen formal abnehmen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Bedürfnisse erfüllt werden.
Bei Ende der Phase liegt eine abgenommene und validierte Liste von Anforderungen, die als Grundlage für die Umsetzung dient vor.
Wichtig: Jede Phase baut auf der vorhergehenden auf und stellt sicher, dass Anforderungen vollständig, korrekt und umsetzbar sind. Durch diesen Prozess wird sichergestellt, dass das Endprodukt den tatsächlichen Erwartungen der Stakeholder entspricht, technische Umsetzungen reibungslos erfolgen und das Risiko von Missverständnissen oder unklaren Anforderungen minimiert wird.