In der Schweiz sind die Regeln und Verfahrensbestimmungen für Beschaffungsvorhaben im öffentlich-rechtlichen Bereich durch das Öffentliche Beschaffungsrecht geregelt. Das Ziel des öffentlichen Beschaffungswesens ist es, Transparenz, Wettbewerb und Effizienz sicherzustellen und dabei Grundsätze wie Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung zu beachten. Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen unterliegt verschiedenen Verfahrensarten, die je nach Auftragssumme und Komplexität variieren.

Die wichtigsten Regeln und Verfahrensbestimmungen für die Schweiz sind im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) sowie in den interkantonalen Vereinbarungen und dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation (WTO)festgelegt.

Verfahrensarten

Je nach Auftragssumme und Art des Projekts kommen unterschiedliche Verfahrensarten zur Anwendung:

VerfahrenBeschreibung
Offenes Verfahren (> 230 TCHF)

Im offenen Verfahren können alle interessierten Anbieter ein Angebot einreichen. Es gibt keine Beschränkung in Bezug auf die Anzahl der teilnehmenden Anbieter.
Dieses Verfahren wird in der Regel bei höheren Auftragssummen verwendet und sorgt für maximale Transparenz und Wettbewerb. Dieses Vorgehen garantiert Hohe Wettbewerbsintensität und Chancengleichheit für alle Anbieter.
Ein offenes Verfahren wird häufig bei grossen Bauprojekten oder der Beschaffung von komplexen IT-Systemen verwendet.Das Ausschreibungsverfahren wird öffentlich gemacht, und alle Anbieter können die Ausschreibungsunterlagen einsehen und Angebote einreichen.
Selektives Verfahren (>230 TCHF)

Im selektiven Verfahren können nur ausgewählte Anbieter zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Die Anbieter müssen sich im Rahmen eines Eignungsnachweises qualifizieren, bevor sie zur Teilnahme zugelassen werden.
Wird verwendet, wenn eine Vorauswahl der Anbieter notwendig ist, beispielsweise bei komplexen Projekten, bei denen spezifische Fachkenntnisse erforderlich sind.
Dies stellt sicher, dass nur qualifizierte Anbieter Angebote einreichen, was die Angebotsprüfung effizienter macht. 
Diese Verfahrensart wird oft bei spezialisierten Dienstleistungen oder bei Aufträgen mit hohen technischen Anforderungen verwendet.
Zu Beginn wird ein Präqualifikationsverfahren durchgeführt, bei dem die Anbieter ihre Eignung nachweisen müssen. Danach werden nur die qualifizierten Anbieter zur Angebotsabgabe aufgefordert.
Einladungsverfahren (freihändiges Verfahren)

Im Einladungsverfahren werden nur bestimmte Anbieter direkt zur Abgabe eines Angebots eingeladen. Es handelt sich um ein weniger formelles Verfahren als das offene oder selektive Verfahren.
Es wird typischerweise bei kleineren Beschaffungen verwendet, bei denen die Auftragssumme unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes liegt oder wenn spezifische Umstände eine freihändige Vergabe rechtfertigen (z.B. bei dringlichen Aufträgen).
Der Hauptvorteil liegt bei der schnellen und unkomplizierten Abwicklung, insbesondere bei kleineren Aufträgen.
Diese Methode kann bei dringenden Reparaturarbeiten oder bei der Beschaffung von Dienstleistungen mit kleinem Budget verwendet werden.
Der Auftraggeber lädt ausgewählte Anbieter direkt zur Angebotsabgabe ein. Der Wettbewerb ist in diesem Verfahren auf die eingeladenen Anbieter beschränkt.
Freihändiges Verfahren

Im freihändigen Verfahren wird der Auftrag ohne Ausschreibung direkt an einen Anbietervergeben.
Dieses Verfahren darf nur in Ausnahmefällen angewendet werden, beispielsweise bei dringlichen Aufträgen oder wenn nur ein Anbieter in Frage kommt (Monopolstellung, Schutzrechte).
Der Hauptsächliche Vorteil liegt in der sehr schnellen Vergabe, geeignet für spezielle Ausnahmefälle. Dies könnte bei der Wartung einer Software gelten, für die nur der ursprüngliche Hersteller Zugang und Fachwissen hat. 
Der Auftrag wird ohne Wettbewerb vergeben, der Vertrag wird direkt mit dem ausgewählten Anbieter ausgehandelt + der Zuschlag kommuniziert.

Schwellenwerte für öffentliche Ausschreibungen

Die Wahl des Verfahrens hängt in der Schweiz oft von den Schwellenwerten ab, die je nach BundKantonoder Gemeinde und nach der Art des Auftrags variieren. Schwellenwerte bestimmen, ab wann eine Ausschreibung öffentlich erfolgen muss oder wann ein Einladungsverfahren oder freihändige Vergabezulässig ist.

Schwellenwerte für den Bund (Stand 2023):

Lieferungen und Dienstleistungen:

  • Bei nationaler Ausschreibung: CHF 230’000.
  • Bei WTO-relevanten Aufträgen (grenzüberschreitend): CHF 350’000.

Bauaufträge:

  • Nationale Ausschreibung: CHF 2 Millionen.
  • WTO-relevant: CHF 8.7 Millionen.

Dienstleistungen im Bereich Architektur und Ingenieurwesen: CHF 700’000.

Diese Schwellenwerte variieren je nach Art des Auftrags und der betroffenen öffentlichen Institution.

Zentrale Verfahrensregeln und Grundsätze

Bei jedem Beschaffungsvorhaben müssen bestimmte Grundsätze und Regeln eingehalten werden, um einen fairen Wettbewerb und die Einhaltung des öffentlichen Beschaffungsrechts sicherzustellen.

GrundsatzBeschreibung
Transparenz und GleichbehandlungAlle potenziellen Anbieter müssen gleich behandeltwerden und die gleichen Informationen erhalten, damit sie faire Chancen auf die Teilnahme haben. Dies umfasst die transparente Veröffentlichung der Ausschreibung und die Bereitstellung derselben Unterlagen für alle Anbieter.
WettbewerbsförderungÖffentliche Ausschreibungen sollen Wettbewerbermöglichen, um die besten Angebote im Hinblick auf Preis-Leistungs-VerhältnisQualität und Innovationsfähigkeit zu erhalten. Einschränkungen, die den Wettbewerb behindern, sollten vermieden werden.
VerhältnismässigkeitDie Anforderungen an die Anbieter (z.B. Nachweise, Sicherheitsleistungen) müssen im Verhältnis zum Auftragswert und zur Komplexität des Auftrags stehen. Übermässige Anforderungen könnten kleinere Anbieter vom Wettbewerb ausschliessen.
Nachhaltigkeit und soziale VerantwortungBei Beschaffungsvorhaben wird zunehmend auf nachhaltige Beschaffung geachtet. So sollen ökologische und soziale Kriterien (z.B. umweltfreundliche Materialien oder faire Arbeitsbedingungen) bei der Bewertung der Angebote berücksichtigt werden.
WirtschaftlichkeitDer Zuschlag erfolgt in der Regel auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots, das PreisQualitätErfahrung und Zuverlässigkeit berücksichtigt. Der niedrigste Preis allein ist nicht immer entscheidend, sondern das Gesamtpaket

Bewertungskriterien

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden häufig Bewertungskriterien festgelegt, anhand derer die eingereichten Angebote geprüft und bewertet werden. Zu den häufigsten Kriterien gehören:

  • Preis: Ein zentrales, aber nicht allein ausschlaggebendes Kriterium.
  • Qualität der Leistungen: Die angebotenen Leistungen müssen den definierten Anforderungen entsprechen.
  • Erfahrung und Referenzen: Unternehmen mit nachgewiesener Erfahrung und erfolgreichen Projekten erhalten oft höhere Bewertungen.
  • Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit: Anbieter, die umweltfreundliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten, können einen Vorteil haben.
  • Liefer- und Umsetzungsfristen: Die Fähigkeit, den Auftrag innerhalb der vorgegebenen Zeitrahmen zu erfüllen, kann entscheidend sein.

Rechtsmittel

Anbieter, die der Meinung sind, dass sie im Ausschreibungsverfahren ungerecht behandelt wurden oder dass das Verfahren nicht korrekt durchgeführt wurde, können in der Schweiz Rechtsmittel einlegen. Sie können eine Beschwerde bei den zuständigen Vergabebehörden einreichen, um eine Überprüfung des Verfahrens zu fordern.